Der Bundestag hat den Empfehlungen des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression zugestimmt. Wenn der Bundesrat ebenfalls seine Zustimmung gewährt, wird es für die nächsten beiden Jahre neue Einkommensteuertarife geben. Das heißt ihre Steuerlast sinkt, bei näherer Betrachtung ist die Steuerentlastung aber eine gut getarnte Steuererhöhung.

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Wie der Gesetzesname proklamiert, war das Ziel des Gesetzes die kalte Progression für die Jahre 2013 und 2014 aufzuhalten. Unter kalter Progression versteht man die durch die Inflation induzierte reale Steuererhöhung bei progressiven Tarifen.[acp footnote] Der innere Grund der Progression liegt darin, dass durch die Geldentwertung der Grenzsteuersatz immer real niedrigeren zu versteuernden Einkommen zugeordnet wird, weil die funktionale Verknüpfung auf Nominalwerten beruht. Eine Informationsgrafik des BMF erklärt den Begriff der kalten Progression sehr anschaulich. [/acp] Ob der Gesetzgeber mit seinem ersten Gesetzesvorschlag das Ziel der Bekämpfung der kalten Progression erreicht hätte, ist fraglich.[acp footnote]In diesem Beitrag habe ich die theoretisch notwendige Anpassung des Grundfreibetrages beschrieben und gezeigt, dass die Anpassungen nicht weit genug gehen. [/acp] Weil der Bundesrat diese ursprünglichen Vorschläge ablehnte, hat der Vermittlungsausschuss eine neue Lösung erarbeitet,[acp footnote] Vgl. BT-Drs. 17/11842.[/acp] welcher der Bundestag am 17.01.2013 zugestimmt hat.

Der neue Gesetzesvorschlag sieht nur noch eine Anpassung des Grundfreibetrags vor, dabei soll der Einstiegssteuersatz von 14 % erhalten bleiben. Dieses Vorhaben hat folgende Implikationen:

  • Die Steuerprogression der ersten Progressionszone steigt.[acp footnote]Da sich der Grundfreibetrag in die Progressionszone schiebt, hier aber Einstiegssteuersatz und die andere Einkommensgrenze gleich bleiben, muss hier der Anstieg des Grenzsteuersatzes steigen. [/acp]
  • Die ursprünglichen Steuerentlastungen sinken, da nur der Grundfreibetrag angepasst wird.
  • Die Einkommensgrenze, ab der die Reichensteuer zu zahlen ist, sinkt nicht, wie ursprünglich geplant.[acp footnote]Vgl. BT-Drs. 17/11842 und BT-Drs. 847/11.[/acp]

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Nachfolgend sind die Auswirkungen der Empfehlungen des Vermittlungsausschusses abgebildet. Da nur noch der Grundfreibetrag angepasst werden soll, steigt der Nachteil mit steigendem zu versteuernden Einkommen, weil die anderen Einkommensobergrenzen keine Anpassung mehr erfahren. Zwar wird auf die Herabsetzung der Einkommensgrenze zur Reichensteuer verzichtet, dieser Verzicht kann die Mehrbelastung aber bei weitem nicht kompensieren.

Dieses Diagramm vergleicht die steuerlichen Auswirkungen des ersten Vorschlags mit den Empfehlungen des Vermittlungsausschusses. Der neue Vorschlag stellt den Steuerpflichtigen deutlich schlechter. 2014 sind die Auswirkungen des neuen Vorschlags sogar noch gravierender.

 

Man könnte nun annehmen, dass der „Steuervorteil“ zwar sinkt, aber immerhin eine Steuererleichterung darstellt. Eine genauere Analyse unter Berücksichtigung der Inflation zeigt jedoch, dass die vermeintliche Steuererleichterung in der Tat eine Steuererhöhung um mehrere hundert Euro bei mittleren Einkommen tarnt. Im Folgejahr wirkt dieser Effekt sogar noch stärker. Höhere Einkommen werden von der ungenügenden Anpassung besonders hart getroffen.

Dieses Diagramm vergleicht den neuen Vorschlag mit dem theoretisch richtig inflationsangepassten Tarif, wenn eine Inflationsrate von 2 % unterstellt wird. Da die Steuertarife erst für die Jahre 2013 und 2014 gelten, wurde der Differenzbetrag mit der unterstellten Inflationsrate abgezinst.

 

Das Gesetz zum Abbau der kalten Progression kann die Effekte der kalten Progression nicht ausgleichen. Es stellt unter Berücksichtigung der Inflation keine Steuererleichterung dar, sondern tarnt eine umfangreiche Steuererhöhung. Allerdings ist eine Zustimmung durch den Bundesrat dennoch zu begrüßen, weil kein Ausgleich die noch schlimmere Variante wäre.

Rede von Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich der ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression im Deutschen Bundestag
Hier erklärt das BMF in einer Animation, was unter kalter Progression zu verstehen ist.

BT-Drs. 17/11842
Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses
Der Tarif findet sich auf S. 2.
BT-Drs. 847/11
Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression
Ziele des Gesetzgebers werden auf S.1 beschrieben und der Tarif auf der S. 5f.