Eine spannende Untersuchung zum Einfluss des Steuertarifs auf das Wohlbefinden der Bürger hat teils überraschende Ergebnisse und untermauert: die Besteuerung eines Staates ist wichtige Schlüsselkomponente für das Wohlbefinden seiner Bürger. In diesem Beitrag will ich die Untersuchung besprechen und mir Gedanken über mögliche Implikationen machen.

Der Steuertarif wird in der Politik und in den Finanzwissenschaften als wichtiges Element der Besteuerung gesehen. Viele osteuropäische Staaten haben sich in den letzten Jahren für eine Flat-Tax entschieden, da der einfache Tarif als ein Symbol für ein einfaches und modernes Steuersystem proklamiert wird.

Dieses Argument ist vielen Steuersystemdesignern nicht unbekannt. So schlägt z.B. Kirchhof als zentralen Punkt seiner Steuerreform einen dreistufigen Tarif vor, der einfach kommuniziert werden kann. Er versucht damit die Vorteile der Einfachheit mit der Progression zu verbinden.

Der deutsche Einkommensteuertarif (hier 2011) ist ein progressiver Tarif. Das sieht man sehr schön am steigenden Durchschnittsteuersatz, der links abgebildet ist. Kennen Sie eigentlich ihren eigenen Durchschnittsteuersatz, probieren sie mal!

 


Als progressiven Tarif versteht man eine Besteuerung bei der mit zunehmenden Einkommen der Durchschnittssteuersatz steigt. Damit sollen die Bürger, die weniger verdienen, entlastet werden und es soll eine Umverteilung von reich auf arm durch die Einkommensbesteuerung erreicht werden. Diese Gerechtigkeitsidee und warum sie wünschenswert ist, findet sich zum Beispiel in „A theory of justice“ von John Rawls wieder.

Oishi, Schimmack und Diener finden in einem Beitrag in der Psychological Science (eine der anerkanntesten Zeitschriften der Psychologie) heraus, dass ein progressiver Tarif dem Wohlbefinden der Bürger eines Staates zuträglich ist. Mediator des Zusammenhangs ist die Zufriedenheit mit öffentlichen Gütern. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den Gerechtigkeitsvorstellungen von Rawls.

In dieser Untersuchung stellten die Forscher ein einfaches Progressionsmaß einem Index gegenüber, der das Wohlbefinden von Bürgern in einer Nation misst. Dieser Index wird jährlich von Gallup World Poll erhoben und verdichtet, mit Fragen zum Wohlbefinden der Bürger im Erwartungswert, das Wohlbefinden eines Landes auf eine Kennzahl. Das gewählte Progressionsmaß ist sehr einfach.Es ist die Differenz zwischen Einstiegs- und Spitzensteuersatz. Die Stichprobe umfasst 54 Länder aus dem Jahr 2007. Ein kleiner Ausschnitt – 19 europäische Länder – ist im nachfolgenden Diagramm mit aktuellen Werten (2011) abgebildet.

Das Diagramm setzt die Progression in Beziehung zum Wohlbefinden. Die Progression wurde mit den Angaben des Orginalartikels berechnet. Der Index, der als Proxy für das Wohlbefinden der Bürger dient, wird von Gallup ermittelt. Die Daten finden sich auf der Website des Unternehmens.

 


Das Diagramm setzt die Progression in Beziehung zum Wohlbefinden. Die Progression wurde mit den Angaben des Orginalartikels berechnet. Der Index, der als Proxy für das Wohlbefinden der Bürger dient, wird von Gallup ermittelt. Die Daten finden sich auf der Website des Unternehmens.

Die sehr kleine Stichprobe und das sehr einfache Progressionsmaß schränken die Ergebnisse der Untersuchung ein. Man stelle sich ein Land vor, dass die ersten 8.005 Euro mit 14 % und Einkünfte darüber hinaus mit 45 % besteuert, es wäre nach dieser Definition genauso progressiv wie Deutschland. Ein Unterschied wäre jedoch offensichtlich.

Als wichtige Erkenntnis nennt Oishi übrigens in einem Interview zu diesem Artikel, dass für jeden, der akzeptiert, dass das Ziel der Politik ein möglichst großes Wohlbefinden seiner Bürger sei, die Steuerpolitik relevant sei!

Dies erklärt vielleicht unter anderem die Omnipräsenz des Themas Steuern in Wahlkämpfen. Auch wenn ich solchen Untersuchungen persönlich skeptisch gegenüber stehe, glaube ich, dass sie uns eines lehren können, manchmal hat Komplexität, wie hier in Form des Tarifes, seinen Sinn, der vor der Verteufelung genau hinterfragt werden sollte.